Komm in die Arena!
Bist du auch nach den ersten paar Jahren im Business richtig ernüchtert? Hart am Boden aufgeschlagen, die Krone verrutscht? Von der Anfangs-Euphorie ist wenig übrig, dein Selbstbild hat blaue Knie?
Ja, das ist keine sonderlich schöne Erfahrung, die möchten wir uns lieber sparen. Aber was ist die Alternative? Umziehen in ein Land, in dem die Regenbogen-Ponys Walzer tanzen und wo es zum Frühstück Glitzersterne gibt?
Oder du packst das Einhorn am Horn und reitest Rodeo?
Wie auch immer du dich entscheidest, meine Wahl steht fest. Ich wähle das Rodeo. Job-Rodeo. Tag für Tag.
Für uns Frauen ist die Business-Welt manchmal recht ernüchternd. Wir schneiden in Schule und Studium durchschnittlich besser ab als Männer. Auch die Anzahl an Frauen mit einem Hochschulabschluss übersteigt seit Jahrzehnten die der männlichen Kollegen. Doch im Arbeitsleben entwickelt es sich dann doch anders herum und daran sind nicht nur die Kids Schuld.
In ein paar Jahren schreibst du vielleicht eine Expertise für einen ehemaligen Studienkollegen, der damals nicht gerade eine Leuchte war und jetzt aber dein Chef ist. Was ist da schief gelaufen? (Ich stelle mir dein gramverzerrtes Gesicht vor, wenn du das liest.)
Im Arbeitsleben gelten einfach andere Spielregeln als in der Ausbildung. Und wenn wir diese Spielregeln nicht kennen, können wir nicht gewinnen. Nur, wer erklärt sie uns?
Halten wir uns mal vor Augen: In der Ausbildung bist du Teil einer Gruppe von Studierenden, die alle die gleichen Voraussetzungen erfüllen. Alle haben die gleiche Aufnahmeprüfung bestanden, alle nehmen an den gleichen Unterrichtsfächern teil, alle bekommen die gleichen Unterlagen ausgehändigt. Bei der Prüfung müssen alle die gleichen Fragen beantworten, bei einer schriftlichen Arbeit alle gleich viele Seiten schreiben und so weiter. Bei wichtigen Prüfungen werden die Bögen von mehreren Experten unabhängig bewertet um subjektive Interpretationen bewusst zu minimieren. In Reinform wird das bei Multiple-Choice-Tests praktiziert, die von einem Computer ausgewertet werden.
Wenn auf der Uni eine Professorin einem Studenten zusätzliche Informationen zukomme lässt, etwa die Prüfungsfragen einen Tag vor der Prüfung, steht das am nächsten Tag in den News. Das ist ein Skandal!
Mach dich darauf gefasst: Im Berufsleben findet so etwas laufend statt.
Es fängt damit an, dass kaum jemand die gleiche Arbeit macht wie die Person, die neben ihr sitzt. Dadurch ist die Leistung auch schwer vergleichbar. Dazu kommt, dass sich die Aufgabenstellung oft während der Arbeit verändert. Die Rahmenbedingungen verändern sich ebenfalls.
Stell dir vor, du hast den Auftrag erhalten, die Festnetz-Telefonie im Unternehmen zu zentralisieren. Bislang hatte jede Niederlassung ihren eigenen Server und ihren eigenen Nummernkreis, das soll künftig zusammengeführt werden. Während du in der ersten Phase des Projekts alle Informationen einholst über die bestehenden Systeme, Verträge und Laufzeiten, Lieferanten, Anzahl Nutzer und deren Bedürfnisse, wird der CEO des Unternehmens ausgewechselt. Der neue Chef beschliesst, die Hälfte der Niederlassungen über einen Zeitraum von fünf Jahren zu schliessen. Macht es dann noch Sinn, ihnen ein neues Telefonsystem zu organisieren?
Zu deinen Aufgaben kommt jetzt hinzu, die verschiedenen Alternativen mit pro und contra aufzuführen und einen Bericht zuhanden der Geschäftsleitung zu verfassen, der als Entscheidungsgrundlage dienen soll. Trotz allem wird einige Monate lang keine Entscheidung gefällt und dein Projekt verzögert sich. Schliesslich gibt es grünes Licht und du machst mit Vollgas weiter. Du evaluierst verschiedene Systeme und Anbieter und bist kurz davon, einen Vertrag abzuschliessen, da bekommst du von der Geschäftsleitung die Nachricht, man müsse einen anderen Anbieter wählen, weil zu dem ein Kundenverhältnis bestehe und man ihn nicht vergraulen möchte. Die Zusammenarbeit mit diesem Anbieter gestaltet sich harzig, da er den Auftrag bereits in der Tasche hat und sich nicht mehr anstrengen muss. Die Projektergebnisse sind mangelhaft im Vergleich zu dem, was seinerzeit definiert wurde. Aber wieviel davon ist dein Verschulden? Im Nachhinein ist es nicht mehr so einfach, das herauszufinden. Hättest du es viel besser machen können?
Anders als in der Ausbildung, wo es eine Kernkompetenz und Hauptaufgabe des Lehrpersonals ist, die Leistungen von Studierenden zu bewerten, hat im Arbeitsalltag niemand Zeit dafür.
Niemand hat im Arbeitsvertrag stehen, dass es zu seinen oder ihren Aufgaben zählt, die Leistung der Mitarbeitenden zu bewerten. Ergo- es nimmt sich niemand die Zeit, richtig hinzuschauen.
Vorgesetzte sind auch nur Menschen und sie haben ihre eigenen Probleme.
Einmal im Jahr, wenn die Quali-Gespräche anstehen, kramen sie in ihrem Erinnerungskistchen und zaubern eine Beurteilung zutage. Ich weiss das aus eigener Erfahrung, ich bin selber dieser Sünde schuldig.
Unsere Beurteilung basiert oft viel mehr auf einem allgemeinen Bauchgefühl als auf Facts. Egal wie standardisiert der Prozess verkauft wird. Im Endeffekt menschelt es hier genauso wie überall.
Darüber brauchen wir aber gar nicht traurig sein! Wir können diesem Umstand sogar nutzen. Spielregeln kennen lernen, Testlauf, dann die Krallen wetzen und spielen auf Gedeih und Verderb – eben Job-Rodeo.
Keine Regenbogen-Ponys, keine Glitzersterne. Das Frühstück kannst du selbst wählen. Und ich gönne mir jetzt einen Green Smoothie.
ps: Wenn du die Spielregeln kennenlernen und im geschützen Rahmen üben möchtest, dann werde Teil meines Coaching Programms Be a Leader!
Verena Tschudi ist Coach für Karriere und Leadership. Sie ist die Herausgeberin des Podcasts LEVEL ME UP! und inspiriert ihr Publikum für mehr Erfolg und Erfüllung im Job.
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